MESSER, ZUNGEN

2022 bei „Matthes & Seitz Berlin“ erschienen reicht das Buch in Gegenwart und Zukunft, sagt gemeinsam Vergangenheit Voraus, webt Erinnerungstücke von Vergessenen, bildet Archive, Träume, neue Texte in Räumen, die vom Digitalen bis ins Analoge reichen.

In dieser Erzählung, die aus Kurzgeschichten, lyrischen Versatzstücken und literarischen Essays besteht, entsteht langsam eine zusammenhängende Geschichte, ein collagenartiger Roman, der sich vielleicht am ehesten als autofiktionale Komposition einer Familienmythologie beschreiben lässt. Der Roman ist multiperspektivisch und wählt in der Regel personale Erzählperspektiven (mit Ausnahmen, siehe etwa den Chor und vereinzelte Ich-Perspektiven bestimmter Kapitel, besonders in den Essayeinschüben), wobei die fokalisierten Figuren zu Beginn diejenigen sind, über die wenig bekannt ist, die also in der kollektiven Erinnerungskultur der Familiengeschichte Leerstellen bilden. So basieren die meisten dieser anfänglichen Geschichten auf Fragmenten der kollektiven Überlieferung, beispielsweise auf dem Bild einer namenlos gebliebenen jüdischen, europäischen Frau und Geschichten von Schwarzen und indonesischen Frauen, die bis auf mündliche Überlieferungen fast vollständig aus dem kollektiven Familiennarrativ verschwunden sind.
Durch die Fokalisierung gerade dieser Familienmitglieder sollen gelöschten Perspektiven beleuchtet und in den Vordergrund gerückt werden, d.h. innerhalb des Projektes sichtbar gemacht werden. Hierdurch entsteht durch das Erinnern im künstlerischen Medium politischer Widerstand, der in die Vergangenheit zurückreicht. Gleichzeitig ist der Versuch der Nachzeichnung einer unbekannten Geschichte auf gewisse Weise auch zum Scheitern verurteilt, weil diese Geschichten Imaginationen sind. Da dies notwendigerweise so ist, sind einige der Figuren auf der Grundlage recherchierter und imaginierter Realitäten bewusst queer wiedergegeben.
Die Erzählung lässt sich grob in zwei Teile unterteilen. Der erste Teil nimmt Geschichten von Personen und Ereignissen in den Fokus, von denen keine oder nur wenige Überlieferungen und Relikte existieren. So wird dieser Teil ein Platzhalter, das beschriebene imaginiertes Textobjekt. Der zweite Teil erzählt vor allem Geschichten aus der Perspektive von Personen, die auf Versionen real existierender Personen basieren.
Allerdings sind die Grenzen zwischen den beiden Teilen nicht starr gezogen, und so finden sich im ersten Teil genauso Teilkapitel, die in der in der erlebten Vergangenheit/Gegenwart spielen, wie es im zweiten Teil Kapitel gibt, die Teil einer Legendenbildung der kollektiven Familienerinnerung sind. Die Erzählstruktur macht klar, dass alle Texte imaginierte Geschichten sind und sein müssen.
Neben den Einschlägen anderer Genres gibt es auch immer wieder Einschübe anderer Sprachen, die unübersetzt bleiben (der Großteil dieser Einschübe ist auf Englisch und kann deswegen dennoch von einem deutschen Lesepublikum verstanden werden, der Rest ergibt sich aus dem Kontext die Unzugänglichkeit bestimmter Sprachen von außen soll nach Möglichkeit so erhalten bleiben). Im Großen und Ganzen folgen die Geschichten einer zeitlichen Chronologie von der Vergangenheit in die Gegenwart. Manche Figuren tauchen in der Geschichte wiederholt auf. Die Geschichten laufen mehr und mehr auf die Figur Mädchen zu, aus deren Perspektive zum Ende des Romanes hin vorrangig erzählt wird.
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Beim Verlag

Pressestimmen

Für ihren Kampf wetzt SGL [...] die Waffe der Sprache selbst, also das Messer, das die Zunge ist. Sie tut es mit Selbstbewusstsein, Sicherheit und Konsequenz und spiegelt dabei eine zur Erinnerung endlich genötigte und jetzt um ihre Sprache ringende Gesellschaft.
— Hans von Trotha,
Deutschlandfunk Kultur
In ihrem Debüt ›Messer, Zungen‹ schreibt [Goldschmidt-Lechner] gegen die kursierenden Vorstellungen über Südafrika an. Es ist ein poetisches Projekt mit einer ambitionierten politischen Agenda.
— Michael Wolf,
taz
Der Roman [...] ist nicht trotz, sondern wegen seiner besonderen, verwirrenden Form ein Gewinn. Die vielen lose gereihten und ausdrucksstarken Bilder muten beim Lesen fast wie ein Traum an. Aus den vielen Stimmen ergibt sich am Schluss ein beeindruckendes Mosaikbild einer Gemeinschaft – und nichts weniger als ein neuer Blick auf Südafrika.
— Simon Leuthold,
SRF2 Kultur
Der Roman beschreitet neues erzählerisches Terrain, ist experimentell, dekonstruiert das Erzählen und entfernt damit auch Indentifikationspotenziale mit einzelnen Personen der Handlung. Wer gerade so etwas sucht, wird hier glücklich, denn es ist ein gelungenes Experiment, das mit dem Fortschreiben kolonialer Strukturen und Traumata in globalisierten Familienstrukturen ein höchstaktuelles Thema behandelt
— Stefan Diezmann,
Poesierausch
Ihr Roman ist ein poetisches, vielschichtiges Werk, das der Perspektive, jener die bisher selten gehört wurden, Beachtung schenkt.
— Isabella Caldart,
Missy Magazin
Nach der Lektüre verstehen wir Mädchens Unbehagen mit Etiketten, mit weißer Repräsentation von People of Colour. Ihr Sehnen nach einer Welt ohne Auslassungen, ohne begriffliche Schubladen, die Menschen in ihrer Entfaltung begrenzen.

ROMAN